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Mittwoch, 7. Juli 2010

Ein Land zwischen Siegestaumel und Ernüchterung

Komme gerade vom Halbfinalspiel Deutschland - Spanien heim. (Wir haben alle zusammen in der Vereinsgaststätte vom ESV-München geschaut) 

Auf dem Heimweg in der S- und U-Bahn lauter ernüchterte, teilweise weinende Fans. Es war schon fast gespenstig ruhig in den überfüllten Bahnen. Wahrscheinlich war der Fall vom 4:0 gegen Argentinien einfach zu groß, die berechtigten Hoffnungen auf den Einzug ins Finale geplatzt. 
In meinem Haus sprach mich unten ein Asiate an, sagte in gebrochenem Deutsch wie traurig das doch wäre, dass wir verloren haben. Ich meinte, dass wir ja wenigstens noch um Platz drei spielen. Da erwiederte er: "Nein, das will ich nicht, ich will dass Deutschland gewinnt!! Ich wollte, daß MEIN Land den Titel holt!" 

So sind sie, unsere Mitbürger mit Migrationshintergrund. Ausgestattet mit sehr viel Stolz auf dieses Land, mit Treue, die "wir" ihnen immer mal wieder absprechen wollen. Bei der WM auf den Fanmeilen war das möglich, was sonst kaum passiert. Man feierte zusammen, lag sich in den Armen und trauerte heute gemeinsam. 

Egal, ob wir heute gewonnen oder verloren haben, die Weltmeisterschaft, unsere Mannschaft hat uns einen neuen Fußball-Sommer geschenkt, sie hat uns EIN Deutschland sein lassen, ungeachtet welcher Rasse und Herkunft man ist. Wir waren vereint, wir konnten stolz sein auf dieses Land. 

Mir bedeutet das besonders viel, weil ich noch in einer Zeit aufgewachsen bin, in der man es besser unterlassen hat, zu viel Vaterlandsliebe an den Tag zu legen. Über meiner Generation hing immer noch der Schatten des zweiten Weltkrieges, der Schatten, der uns in die Rolle der Deutschen gedrängt hat, die sich besser vorher entschuldigen sollten bevor sie überhaupt sagten, dass sie aus Deutschland kommen. Meine Eltern haben den Krieg noch als Kinder erlebt, bzw. lebten in der Nachkriegszeit. Deutscher zu sein wurde sofort mit Jugendvernichtung, Hitler und Nazis gleichgesetzt und wer zu viel deutsch war, der war automatisch noch schuldig. 

Deshalb bin ich unendlich dankbar dafür, erleben zu dürfen, was sich verändert hat, dass wir diese Zeit endgültig hinter uns gelassen haben. Es ist so befreiend. Das haben wir auch viel dem Fußball zu verdanken. Die WM 2006 hat viel angestoßen und auch jetzt, 2010, hat uns unsere Mannschaft wieder weit vorgeschossen. Wir sind zwar nicht im Finale, aber unser Land ist der Sieger. 

Lasst uns dieses Gemeinschaftsgefühl festhalten, vor allem auch im Blick auf all die, die "wir" oft an den Rand drängen. Deutschland, das sind all die, die sich mit diesem Land verbunden fühlen, die stolz darauf sind. Deutschland, das sind WIR ALLE! 

Und jetzt kämpfen wir einfach um Platz 3. Und ich hoffe, dass die Niederlande den WM-Titel holen!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!