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Samstag, 27. Oktober 2007

Leben wie im freien Fall

Mein Leben ist derzeit geprägt von sich täglich rasant ändernden Gegebenheiten, die jedoch alle auf derart wackeligen Füßen stehen, daß sie genauso schnell wieder weggeweht werden können wie sie sich ergeben.
Der nette Sachbearbeiter vom Arbeitsamt hat mir mittlerweile einen Antrag für Hartz IV zugeschickt. Das heißt für mich zumindestens, daß ich den Antrag wenigstens mal stellen darf, daß die Zuständigkeit damit erstmal geklärt ist. Das heißt noch lange nicht, daß der Antrag auch genehmigt wird, aber ich kann ihn wenigstens ausfüllen und abgeben. Das allein war ja bisher noch nicht mal möglich.

Für diese schöne Wohnung am Stiftsbogen habe ich gestern vom Makler eine Absage bekommen. Mein Vater hat mir noch eine Bestätigung geschrieben, ich habe meine Kontoauszüge mitgeliefert, Arbeitszeugnisse und auch den Bescheid über die Pflegestufe. Der Grund für die Absage hätte mich sehr interessiert, der war aber aus dem Makler nicht herauszubekommen. Er meinte nur, daß "das Management" es nicht gut fände, wenn ich dort einziehen würde. Was immer das auch heißt, mich hat diese Aussage schwer getroffen. Wo bin ich gesellschaftlich mittlerweile angekommen, wenn nicht meine Katzen, sondern ich ganz persönlich abgelehnt werde. Ich hatte noch nie Schulden, bin ein ruhiger, ordentlicher Mieter, mache keine lauten Parties, bin Nichtraucher, habe Aussicht auf einen Job, der wieder ein guter Einstieg sein kann. Will man in diesem Haus keine Rollstuhlfahrer?! Ich weiß es nicht, fast glaube ich das, sonst hätte der Makler mir doch einfach den Ablehnungsgrund sagen können. Doch sowas könnte man natürlich nicht so einfach sagen. Was mir einfach weh tut ist, daß ich doch seit Mai kein anderer Mensch geworden bin. Klar verändert man sich immer irgendwie bei so schwerwiegenden Einschnitten im Leben. Jedes Mal aufs Neue stehe ich fassungslos da und verstehe nicht, warum so viele Menschen mir gerade jetzt diese Situation nicht erleichtern können, sondern sie im Gegenteil noch verfahrener machen?!
Bei einer der Wohnungen in Riem, die einzige Zwei-Zimmer Wohnung, die im München-Modell (für das ich einen WBS habe) noch verfügbar ist, habe ich auch zuerst eine Absage erhalten. Diese seltsame Frau, die mir von der Wohnungsbaugenossenschaft diese Aussage gegeben hat, hat sehr komisch rumgedruckst, wußte angeblich nicht, ob noch eine Wohnung frei ist, und das aber auch erst nachdem ich sagte, daß ich im Rollstuhl sitze. Wenn die Wohnung wirklich nicht mehr zu haben gewesen wäre, wie sie sagte, dann hätte sie spätestens ab diesem Zeitpunkt aus dem Internet genommen werden müssen. Ich habe dann eine Bekannte nochmal dort anrufen lassen, damit die auch nach der Wohnung fragt. Und ich hatte recht: die Wohnung ist zu haben, nur für mich war sie es nicht. Das ist definitv gesetzwidrig. Die Bekannte hat jetzt für mich einen Termin vereinbart und ich fahre nächste Woche zur Besichtigung. Und was habe ich daraus gelernt: nie im Vorhinein sagen, daß man im Rollstuhl sitzt!
Irgendwie habe ich das Gefühl, im freien Fall immer weiter in einen dunklen, bodenlosen Abgrund der Hoffnungslosigkeit zu stürzen. Jedes Mal, wenn ich denke, daß das alles nicht noch verfahrener oder schlimmer werden kann, dann werde ich sofort eines Besseren belehrt und "falle weiter"!
Bei ein paar Wohnungen, die passend erscheinen und auch in meiner Preisklasse liegen, werde ich es noch versuchen, dann "hake ich München ab" und gehe - egal wie das auch immer werden mag - zurück nach Essen. Ich will nicht mehr auf Dinge hoffen, die sich eh wieder als neue Enttäuschung entpuppen. In Essen, in meiner Wohnung, bin ich wenigstens zu Hause, bin erwünscht und nicht irgendwer, der in die letzte Ecke der Gesellschaft gedrängt wird. Irgendeine Lösung wird es für die drei Stockwerke (ohne Aufzug) geben, die ist auf jeden Fall leichter zu finden als hier eine Wohnung. Das Ruhrgebiet ist zwar im Nahverkehr nicht sonderlich behindertenfreundlich, aber eines weiß ich ganz sicher: das Leben ansich ist dort leichter, die Menschen lassen einen so leben wie man ist.

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